15. Dezember 2022

Holen Sie sich jetzt Ihr Guthaben beim Fiskus zurück

In diesem Spezial möchte ich Sie mit einer kleinen Belehrung zur Abgeltungssteuer „langweilen“. Ich weiß: Als echter Börsianer interessieren Sie sich eher für Gewinne und Expansion und weniger für steuerliche Erbsenzählerei. Aber dieses Thema ist momentan für praktisch alle Investoren von besonderer Bedeutung. Warum ist das so?

Wir befinden uns regelmäßig nach einer mehrjährigen Hausse in einem echten Steuerdilemma. Erstens haben wir unsere Verlusttöpfe bzw. Verlustvorträge aus der Vergangenheit restlos aufgebraucht. Zweitens haben Sie, vor allem wenn Sie gerne längerfristig disponieren, erhebliche Buchgewinne aufgehäuft. Mit anderen Worten: Wenn Sie diese Gewinne nun realisieren, greift der Fiskus sofort und ganz unangenehm zu.

Ein Praxisbeispiel aus den Premium-Chancen: Am 22. September habe ich im Rahmen eines Teilverkaufs 14 Albemarle mit einem Gewinn in Höhe von 1.568,74 Euro veräußert. Rund einen Monat habe ich von der Position Livent abgebissen und dabei einen Buchgewinn in Höhe von 2.322,37 Euro realisiert. In der Addition habe ich also Buchgewinne in Höhe von 3.891,11 Euro erzielt. Davon hat die Depotbank bereits 26,375 %, also 1.026,28 Euro an den Fiskus abgeführt.

Dieses Geld lagert nun in einer Bundeskasse. Allerdings ist es für mich noch nicht gänzlich verloren, sofern es mir gelingt, Buchverluste gegen den zuvor realisierten Buchgewinn zu stellen. Also verkaufe ich nun die Aktie der Polytec und realisiere auf diese Weise einen Buchverlust in Höhe von rund 1.998 Euro.

So schmilzt also mein ursprünglicher steuerlicher Gewinn von 3.891,11 Euro auf 1.893,11 Euro. Ergo werden mir postwendend 526,98 Euro auf mein Depotkonto zurückerstattet.

Das ist jetzt wichtig: Diese steuersparende Transaktion muss ich bis zum 31. Dezember durchgeführt haben. Denn einen Tag später wird mein Steuertopf 2022 geschlossen. Zu Deutsch: Die im Jahr 2022 entrichtete Kapitalertragssteuer ist abschließend bezahlt und kann nicht mehr zurückerstattet werden.

Realisieren Sie den Buchverlust aus der Position Polytec erst im nächsten Jahr, wird der Verlust in den Verlusttopf Aktien übertragen. Das ist auch nicht ganz dumm, weil der Verlust nun mit Kursgewinnen verrechnet wird, die Sie möglicherweise im Jahr 2022 realisieren.

Ich fasse nochmals zusammen. Steuerrechtlich existieren für Sie zwei Konstellationen, die für Sie entweder sofort vorteilhaft wirken oder in der Zukunft.

  1. Der Verlusttopf ist leer und im laufenden Jahr wurden Kursgewinne realisiert. Dann haben Sie Abgeltungsteuer entrichtet, die Ihre Depotbank im Steuertopf erfasst hat. Wenn Sie nun eine Aktie im Minus veräußern, erhalten Sie postwendend eine Steuergutschrift. Mit dieser Transaktion verbessern Sie also Ihre Depotperformance in der Gegenwart.
  2. Oder: Sie haben im laufenden Kalenderjahr keine Abgeltungsteuer entrichtet, weil Sie möglicherweise keine Verkäufe durchgeführt haben. Dann füllen Sie mit der Realisierung eines Buchverlustes Ihren Verlusttopf auf und stellen auf diese Weise Kursgewinne in der Zukunft steuerfrei.

Also, Verluste sind natürlich nie unser Plan. Gleichwohl lassen sie sich konstruktiv nutzen, um die Liquidität Ihres Depots zu erhöhen (Rückerstattung überzahlter Abgeltungsteuer) oder um künftig erwartete Kursgewinne steuerfrei zu stellen (Auffüllung des Verlusttopfes).

Haben Sie den Steuertopf im Blick und pflegen Sie den Verlusttopf

Ich rate generell dazu, in gewissen Abständen steuerlich optimierend ins Depot einzugreifen. So kann es sinnvoll sein, gelegentlich Buchverluste zu realisieren, um den Verlusttopf aufzufüllen. Hier bauen Sie also vor und reduzieren zukünftige Steuerbelastung.

Daneben sollten Sie den Steuertopf Aktien im Blick haben, in dem Ihre abgeführte Abgeltungsteuer des laufenden Kalenderjahres erfasst wird. Stehen hier vier- oder gar fünfstellige Beträge zu Buche, rate ich zur Aktion bzw. zur sofortigen Realisierung von Verlusten, um eine Steuerrückerstattung zu bewerkstelligen.

An dieser Stelle wird mir oftmals entgegengehalten, dass man trotz dieser Maßnahmen am Ende des Tages die Steuerzahlung nicht vermeidet. Dieser Einwand ist natürlich nicht falsch. Das Ziel dieser Maßnahmen ist – am besten jedes Jahr aufs Neue –, Steuerlast in die Zukunft zu verschieben. Dadurch erhöhen Sie nämlich die Liquidität in Ihrem Depot. Was meine ich damit?

Ein fiktives Beispiel: Anleger Claus Clever verfügt über ein Depot von 100.000 Euro. Im laufenden Jahr hat er insgesamt 4.000 Euro Steuern auf Kursgewinne abgeführt. Nun greift er ein und holt sich davon 2.000 Euro vom Fiskus zurück.

So startet er also im nächsten Jahr mit einem Depotvolumen von 102.000 Euro. Nun steigt sein Depot 2022 um 10 % auf 112.200 Euro. Verzichtet er hingegen auf die Steueroptimierung, verfügt er Ende 2022 lediglich über ein Vermögen in Höhe von 110.000 Euro. Das Stichwort lautet hier also Liquidität und Zinseszinseffekt.

So gilt: Wer sein Depot regelmäßig steuerlich pflegt, verdient – bei gleicher Performance – auf Dauer deutlich mehr.

Zum Schluss: Wo finden Sie die relevanten Steuerinformationen, die Sie für die Depotoptimierung benötigen? Bessere Depotbanken oder Online-Broker stellen Ihnen die entsprechenden Informationen tagesaktuell in Ihrem Bereich, also in der Software, zur Verfügung. Stellt Ihnen Ihr Broker keine entsprechenden Daten von sich aus zur Verfügung, sollten Sie diese einmal im Jahr – am besten im Dezember – beim Broker einholen. Dort kennt man Ihre Steuerdaten in jedem Fall.