Brisante Studie: Nur der langfristige Investor ist erfolgreich

Derzeit geht unter Börsenprofis eine brisante Performance-Studie des Vermögensverwalters Flossbach von Storch um. Hier wird eine Watschn an alle Trader verteilt, während der Langfrist-Investor indirekt gelobt wird. Die Kernaussagen dieser Flossbach-Studie waren für mich nicht ganz neu, einige Detailzahlen haben mich gleichwohl sehr überrascht.

Zur Studie: Die Flossbach-Analysten haben dabei die Verteilung der Performance für den Zeitraum 2000 bis 2022 (Stand: 3. Quartal) untersucht. In diesem Zeitraum schaffte der MSCI World auf Euro-Basis und unter Berücksichtigung der Dividenden einen Wertzuwachs von 175 %. Dabei war die Entstehung der Performance leider sehr ungleichmäßig verteilt.

Tatsächlich sorgten nur 20 starke Handelstage für die Index-Performance. Wer genau an diesen Tagen nicht investiert war, hätte zwischen 2000 und 2022 eine negative Wertentwicklung von minus 4 % erzielt. Zu Deutsch: Rund 5.800 Handelstage waren eigentlich für den Index mehr oder weniger unergiebig.

In dieser Phase setzte der MSCI-Index an seinem stärksten Handelstag um 8,9 % hoch. Blöderweise fand dieser Kursaufschuss bereits im Jahr 2002 statt. Rechnen wir es auf ein Kapital von 100.000 Euro, das nicht investiert war! Dann fehlten Ihnen also 8.900 Euro. Freilich – Stichwort Zinseszins – fehlten Ihnen diese Mittel nun in den nächsten 20 Jahren. Ganz konkret: Wer diesen Handelstag versäumt hatte, hatte kurzfristig 8,9 % liegen gelassen, langfristig allerdings ziemlich genau 22 %. Wer an diesem Tag nicht investiert war, hat also seit 2000 nicht 175 % verdient, sondern lediglich 153 %.

Jetzt unterstellen wir, wir hätten in diesem Zeitraum die 5 stärksten Handelstage ausgelassen. Dann wäre die Performance des MSCI World von 175 % auf nur noch 93 % geschrumpft. Hätten wir gar 10 der stärksten Tage ausgelassen, wäre die Wertentwicklung nur noch 47 %. Bitte beachten Sie dazu die Grafik am Ende des Dokumentes!

Ich provoziere: Privatanleger haben die stärksten Handelstage verpasst

Jetzt entgegnen Sie möglicherweise: Herr von Parseval, diese Studie ist doch eher Theorie. Warum sollte ich ausgerechnet „gezielt“ die besten Handelstage in 22 Jahren auslassen?

Ich räume ein, dazu fehlt uns noch das ganz belastbare Zahlenmaterial. Gleichwohl behaupte ich, viele Privatanleger, die in diesem Zeitraum aktiv waren, werden zahlreiche dieser starken Handelstage versäumt haben. Wie komme ich zu dieser Vermutung?

Jetzt wird es tückisch und gemein: Denn 19 dieser 20 Gewinnertage fanden eben nicht in der Hausse statt, sondern in der Baisse. 16 dieser Tage gruppieren sich rund um die Tiefststände der Jahre 2002 (Dotcom-Blase), 2008 (Banken- und Finanzkrise) und 2020 (Pandemie-Crash). Zu Deutsch: Der Aktienmarkt legte auf Tagesbasis immer dann besonders stark zu, wenn am Markt Weltuntergangsstimmung herrschte.

Anders formuliert: Diese starken Handelstage treten gehäuft in der letzten Phase der Baisse auf. Das ist allerdings typischerweise genau der Zeitraum, in dem sich viele Privatanleger vom Markt zurückziehen. Bisher ist es auch noch keinem Börsendienst, Vermögensverwalter oder Fonds gelungen, dieses schädliche und prozyklische Anlegerverhalten zu verbessern.

Wenn der Markt brummt und röhrt, stürmen Anleger und Kunden unsere Türen ein, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt oftmals nicht mehr viel ausrichten können. Liegt der Markt im Keller, ich übertreibe leicht, kommt keiner mehr zu mir. Das ist schade. Denn genau in dieser Marktphase kann ich für meine Kunden und Leser am meisten ausrichten.

Das nehmen wir aus der Studie mit

Kurzfristig orientierte Anleger (Trader) sind letztlich im Markt chancenlos, weil sie wahrscheinlich zu oft die besten Handelstage versäumen. Der hartnäckige Dauerinvestor hingegen wird die volle Index-Performance mitnehmen. Dabei gilt eben, kurzfristige Kursbewegungen sind in der Praxis kaum zu prognostizieren. Diese starken Kursausschläge auf Tagesbasis sind allerdings für unsere Depotperformance von ganz hervorragender Bedeutung.

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Diese Studie sagt uns nicht unbedingt, dass wir ab jetzt auf jede Depotbetreuung verzichten sollen. Wer eine Schwach-Aktie im Depot hat, muss sie selbstverständlich austauschen. Trotzdem gilt für uns: Seid dabei, seid auch in schwachen Marktphasen investiert! Denn genau diese Schwachphasen bringen die großen Gewinnertage hervor.

Die Erkenntnisse dieser Studie habe ich bislang im 7%-Dividendendepot weitgehend umgesetzt. Hier fahren wir im Kern eine Strategie des Dauerinvestments und verzichten darauf, jede kleinere Marktbewegung nachzuhandeln. Die Studie bestätigt mich also. Im Detail zeigt sie freilich auch, dass hohe Cashquoten, wie ich sie im vergangenen Jahr empfohlen habe, durchaus problematisch sein können. Hier besteht das Risiko, dass man eben die großen Gewinnertage nicht voll ausschöpft.

Die Flossbach-Studie sagt uns zudem, dass sich an der Börse eine eigene Meinung auszahlt. Anders formuliert: Wer in der Lage ist, gelegentlich antizyklisch gegen den Mainstream zu investieren, wird langfristig besser verdienen. Dabei müssen wir uns auf Marktphasen mit hoher Volatilität und ausgeprägtem Pessimismus konzentrieren. Warren Buffett hat diesen Sachverhalt sinngemäß so ausgedrückt: Wenn alle ängstlich sind, werde ich gierig und kaufe.

Investoren suchen europäische Aktien

Was sind meine Planungen für das erste Quartal? Bereits seit rund 6 Monaten sehen wir eine klare Outperformance europäischer Standardaktien. Offenbar fließt zunehmend Kapital aus dem NASDAQ-Segment in das eher konservative Aktiensegment Europas. Dabei dürften die Investoren die recht günstigen Bewertungen in Europa schätzen. So ist der EuroStoxx 50 – gemessen an seinem KGV – eben rund 30 % billiger als US-Aktien des S&P 500.

Diese Rotation, so offensichtlich sie auch ist, wird momentan in den Börsenmedien noch kaum thematisiert. Das ist ein klares Indiz dafür, dass sich die Besserentwicklung des EuroStoxx 50, des DAX oder des französischen CAC 40 fortsetzen wird. Folglich soll nächstens jede zweite meiner Kaufempfehlungen einen europäischen Hintergrund haben. Ich formuliere salopp: Das Gute suchen wir erst einmal nicht nur in der Ferne, sondern auch einmal vor der eigenen Haustüre.

Ich sehe noch eine Chance: Derzeit strafen die Investoren jede kleine schwächere Nachricht gnadenlos ab. So wird beispielsweise am Markt ein massiver Konjunktureinbruch gespielt. Ich halte diesen Konjunkturpessimismus für übertrieben. Generell bin ich der Meinung, dass die Investoren einige kritische Faktoren „überpreisen“, also zu hoch hängen.

Beispiel Bau- und Immobiliensektor: Europäische Immo-Aktien sind im Durchschnitt 2022 um 40 % gefallen. Vereinfacht gesprochen preist der Markt also eine Abwertung der Immo-Portfolios um 40 % ein. Das ist doch Quatsch. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine halbwegs vernünftig nutzbare Immobilie in Mitteleuropa nach 1945 jemals um 40 % abgewertet worden ist.

Im Schlepptau der schwachen Immo-Aktien (REITs) wurden auch gleich die Bauzulieferer wie Holcim oder HeidelbergCement verprügelt. Ich stelle mich nun nicht gänzlich gegen die herrschende Marktmeinung. Ich sage aber, die Herde übertreibt.

Das wird möglicherweise die Erzählung des neuen Börsenjahres sein. Wir bauen Übertreibungen sinnvoll ab. Wir werden erkennen, dass die Konjunktur ohne Frage eher schwächeln wird. Die große Wirtschaftskrise werden wir allerdings sicherlich nicht erleben müssen.

Fazit: Ich erwarte ein angenehmes Börsenjahr. Dabei sehe ich nicht unbedingt für uns die ganz spektakuläre Rendite voraus. Wir werden auf europäische Substanz setzen und den einen oder anderen sinnlos ausgebombten NASDAQ-Titel wie Tesla, Salesforce oder Adobe beimischen. Mit diesem Fahrplan fühle ich mich wohl. Bleiben Sie bei mir und setzen Sie jetzt auf die nächsten großen Gewinnertage für Ihr Depot!