Praxis-Check: Sind unsere Dividenden-Aktien inflationsfest?

Wie sich für uns als Verbraucher Inflation anfühlt, wissen wir nun schon seit Längerem. In den vergangenen Monaten zog die Teuerung fast rund um den Globus massiv an. Beispiel Deutschland: Im November haben wir die Marke von 5 % geknackt. Hierzulande sind damit die Preise so stark wie seit 1990 (Öffnung des Ostblocks) nicht mehr gestiegen. Zur Verdeutlichung der enormen Dynamik habe ich in der beigefügten Grafik die Entwicklung der Teuerungsraten für die EU und die USA dargestellt.

In der Finanzbranche erzählt man regelmäßig, dass Sachwerte wie z. B. Aktien in einer Phase erhöhter Inflation besonders empfehlenswert sind, so das Mantra. Diese pauschale Empfehlung zur Aktienanlage hat allerdings einen Nachsatz, den Ihnen etwa die Vertriebsprofis der Banken oder Fondsgesellschaften in der Regel nicht erzählen.

So ist die Aussage erst vollständig: Sachwerte, also Aktien oder auch Immobilien, schneiden in der Inflation besser ab als Rentenpapiere (Anleihen). Ich formuliere etwas überspitzt: Mehrjährige Inflation ruiniert den Anleihenkäufer komplett und den Aktionär nur halb. So waren die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts für Börsianer praktisch ein verlorenes Jahrzehnt. Damals sorgte der Ölpreisschock in den USA für eine prozentual zweistellige Geldentwertung pro Jahr.

Tatsächlich gilt: Inflation ist für die meisten Unternehmen des internationalen Kurszettels definitiv kein Gewinnbringer. Inflation kann nämlich ganz böse in die Gewinne der Unternehmen beißen. Sie tangiert die vier zentralen Kostenblöcke eines Unternehmens. Diese sind:

      1. Rohstoffe und Vorprodukte: Vor allem Industrie-Unternehmen leiden hier regelmäßig und können die volle Teuerung nur in Ausnahmefällen auf die Kunden abwälzen.
      2. Energiekosten: Produktion ist oftmals verbunden mit hohen laufenden Stromkosten. Tatsächlich verbrauchen Unternehmen weit mehr Strom als Privathaushalte.
      3. Löhne und Gehälter: Arbeitnehmer fordern in Zeiten steigender Preise starke Lohnerhöhungen. Darunter leiden unter anderem besonders die IT-Branchen. Unternehmen wie Apple, Microsoft oder Meta Platforms (Facebook) müssen immer höhere Antrittsprämien, Boni und andere betriebliche Vergünstigungen gewähren, um die hochqualifizierten Programmierer und Techniker bei Laune zu halten.
      4. Finanzierungskosten: Üblicherweise geht steigende Inflation mit steigenden Zinsen einher. Künftig wird so manches Unternehmen auf neue Investitionen verzichten, weil sich deren Finanzierung nicht mehr zu 1 oder 2 % pro Jahr bewerkstelligen lässt. Dieser Effekt betrifft besonders hoch verschuldete Unternehmen und kapitalintensive Geschäftsmodelle.

Naturgemäß sind die diversen Geschäftsmodelle unterschiedlich stark von der neuen Inflation betroffen. Grob lassen sich die meisten Unternehmen in drei Kategorien unterscheiden: die Inflationsprofiteure, die Neutralen und die Verlierer. Im Folgenden unterziehe ich die Positionen des Dividendendepots einem „Inflationscheck“ und werde sie in eine der genannten Kategorien einordnen. Am Ende erkennen wir dann, ob das Dividendendepot auch funktionieren wird, wenn die neue Inflation langfristig bleiben wird.

Die Profiteure: Hier sind wir optimal investiert

Albemarle: Rohstoff-Unternehmen sind Inflationsprofiteure wie aus dem Bilderbuch. Denn sie produzieren genau die Güter, die sehr oft den Inflationsschub auslösen. Albemarle sitzt also quasi an der Quelle der Inflation. Für das US-Unternehmen bedeutet Inflation steigende Umsätze und Gewinne. Dass man mitunter für einen Bagger oder Lkw-Kipper etwas tiefer in die Tasche greifen muss, können die Amerikaner bei den aktuellen Lithiumpreisen locker verdauen.

Wenn ich ein Haar in der Suppe finden muss, dann dieses: Die Erschließung neuer Vorhaben bzw. die Ausweitung einer Rohstoffförderung ist teuer. Albemarle verfügt allerdings über einen stabilen Cashflow und profitiert zudem von einem guten Kreditrating (BBB). Selbst wenn die Zinsen stark steigen sollten, wird das US-Unternehmen immer noch Zugriff auf bezahlbares Fremdkapital haben. Wir bleiben also weiter investiert.

Unilever kann ebenfalls als Inflationsprofiteur gelten. Das Unternehmen produziert Lebensmittel, Putzmittel und Produkte der Körperhygiene. Diese Produkte wird der Verbraucher auch bei steigenden Preisen weiter nachfragen. Hier gilt: Wenn Inflation da ist, setze auf Produkte, die für den Verbraucher unvermeidlich sind. Solche Unternehmen sind langfristig in der Lage, eigenen Preisdruck auf den Endkunden abzuwälzen. Unilever stufe ich aufgrund der anhaltenden Teuerung nun wieder als Kauf ein. Kaufen Sie bestens, sofern Sie noch nicht investiert sind.

Swiss Prime: Entgegen der allgemeinen Erwartung sind Immobilien-Unternehmen nicht pauschal gefeit vor Inflation. Hier muss man grob unterscheiden in das Bestands- und das Wachstumsgeschäft. Im Bestand kann Teuerung den Immo-Unternehmen nicht viel anhaben. Die Mieten sind nämlich in der Praxis sehr oft indexiert. Zu Deutsch: Sie folgen mit einer Verzögerung von wenigen Monaten dem Inflationstrend. Konkret: steigende Inflation gleich entsprechend steigende Mieteinnahmen.

Wachstum – also den Zukauf neuer Objekte – besorgen Immo-Unternehmen praktisch immer auf Pump. Steigende Finanzierungskosten begrenzen also die Expansion eines Unternehmens wie Swiss Prime. Die Schweizer sind allerdings mit einer Eigenkapitalquote von knapp 50 % im Branchenvergleich ausnehmend gut und solide finanziert. Hinzu kommt, dass der Schweizer Zinsmarkt immer noch etwas günstigere Finanzierungskonditionen bietet als der Euro-Rentenmarkt. Dieser Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz aus der EU wird meines Erachtens auch künftig bestehen bleiben. Fazit: Auch hier sehe ich keine Bedrohung.

Die Neutralen: Vor- und Nachteile halten sich die Waage

Encavis produziert Strom und ist langfristig in der Lage, die Preise für die Abnehmer zu erhöhen. Außerdem ist die Produktion, sobald eine Anlage errichtet ist, für Encavis billig. Denn das „Vorprodukt“ Sonne oder Wind ist bekanntlich kostenlos. Die Achillesferse des Geschäftsmodells: Stromerzeuger hantieren mit reichlich Fremdkapital, um neue Anlagen zu errichten bzw. zu kaufen. Encavis bilanzierte zuletzt Eigenkapital in Höhe von rund 21 %.

Steigen gemeinsam mit der Inflation die Kosten der Fremdfinanzierung, wird das norddeutsche Unternehmen wohl oder übel auf die eine oder andere Übernahme eines neuen Wind- und Sonnenparks verzichten müssen. Hier halte ich eine Abschwächung des Wachstumstrends im kommenden Jahr für möglich. Zunächst können wir dennoch an der Strom-Aktie festhalten.

Münchener Rück: Der Versicherer bietet unabdingbare Rückdeckung der Risiken für die Erstversicherer. So konnte man im laufenden Jahr die Prämien ohne Probleme an die neue Inflation anpassen. Also: Die Bayern werden die Teuerung durch steigende Prämien mehr als nur auffangen. Das Problem: Versicherer lagern bekanntlich enormes Kapital kurzfristig und nur schwach verzinst. Dieses kurzfristige Kapital wird unter den gegenwärtigen Marktbedingungen schleichend entwertet. Dagegen können sich die Unternehmen der Assekuranz-Branche nur teilweise absichern. Trotzdem: Die Münchener Rück sollte mit der neuen Inflation ungefähr zurechtkommen. Ich sehe keine Gründe für einen Verkauf.

Auch unsere US-Immobilien-Position Welltower muss sich vor Geldentwertung nicht unbedingt fürchten, da auch hier die Mietverträge mit entsprechenden Inflationsklauseln für die Betreiber ausgestattet sind. Ein kleiner Unterschied zu Swiss Prime: Die Amerikaner arbeiten etwas wachstumsorientierter und benötigen daher mehr Kapital. Diese Mittel hat man sich in den letzten Jahren oft am Rentenmarkt besorgt. Steigen hier nun die Zinsen, wird Welltower sicherlich in den nächsten Quartalen einmal eine Kapitalerhöhung (Eigenkapital) durchführen. Eine solche Transaktion würde zunächst die Kursentwicklung der Aktie stören. Bleiben Sie dennoch zunächst voll investiert.

Swatch Group: Wenn der Geldbeutel knapp wird, schafft man sich vernünftigerweise nicht unbedingt eine Luxusuhr aus dem Hause Swatch an. Keine Frage, die Produkte der Schweizer sind in harten Zeiten entbehrlich. Damit ist das Geschäftsmodell im Prinzip anfällig für Inflationstendenzen. Gleichwohl wird das Uhren-Unternehmen diesen Effekt nur zu rund 50 % spüren. Denn die Inflation im Hauptmarkt China ist aktuell mit einer Rate von 1,5 % noch völlig unauffällig. Fazit: Auch als Swatch-Aktionär müssen wir nicht in Angstschweiß ausbrechen, wenn die Inflation im kommenden Jahr anhält. Stattdessen habe ich für Sie die Inflationsrate im Reich der Mitte im Blick.

Die Opfer Illinois Tool Works und BASF

Beide Unternehmen sind klassische Industrieunternehmen und damit auf Rohstoffe und Vorprodukte angewiesen. Bleibt also die Inflation, werden sich beide im kommenden Jahr schwertun, die bisherigen Gewinnmargen zu halten. BASF profitiert allerdings davon, dass man den für die Chemiebranche bedeutenden Rohstoff Öl über die Tochter Wintershall im Haus erzeugt. Hier gilt also: Was bei der Mutter für teures Öl aus der Kasse fließt, fließt unmittelbar in die Kasse der Tochter. Genau für diese Situation hatte BASF die Öl- und Gasproduktion ursprünglich aufgebaut.

Sollten sich die Inflationstendenzen im kommenden Jahr vertiefen, muss ich möglicherweise hier im Dividendendepot korrigierend eingreifen. Fürs Erste halten wir allerdings an den beiden Dividendenaktien fest.

Das Ergebnis des Depotchecks: Aktuell bietet Ihnen das Dividendendepot bereits einen guten Schutz gegenüber anhaltenden Inflationstendenzen. Dafür stehen in besonderem Maße die Inflationsprofiteure wie etwa Albemarle oder Swiss Prime. Dennoch ist offensichtlich geworden, dass ich das Dividendendepot 2020 zunächst nicht als „Inflationsdepot“ ausgelegt hatte. Damals waren die meisten Volkswirtschaften bekanntlich von deflationären Tendenzen gekennzeichnet.

Möglicherweise muss ich also im kommenden Jahr an einigen Stellschrauben drehen, um das Depot noch besser an die neuen Marktbedingungen anzupassen. Nächstens werde ich auch das NextGeneration-Depot einer entsprechenden Prüfung unterziehen.

Teuerungsrate in den USA bzw. EU

Aufwärtstrend noch intakt

Rohstoffe und Vorprodukte

Energiekosten

Löhne und Gehälter

Finananzierungskosten

Unsere Inflations-Profiteure

Albermale Corp.

Unilever PLC

Swiss Prime Site AG

 

Unsere Inflations-Neutralen

 

Encavis AG

Münchener Rück AG

Welltower REIT

The Swatch Group SA

 

 

Unsere Inflations-Opfer

Illinois Tool Works Inc.

BASF SE